Ein produktiver Dialog zwischen Management und Beirat braucht Reibung, Haltung und ein klares Ziel. Arne Schulle und Dr. Tobias Rosenthal sprechen im Interview über die Zukunft von Baerlocher und neue Geschäftsfelder in der Kreislaufwirtschaft.
Baerlocher bleibt ein Unternehmen mit aktiver Familienpräsenz, auch wenn die operative Führung längst in familienexternen Händen liegt. Als Ergebnis eines von langer Hand geplanten Prozesses, übernimmt Arne Schulle 2010 als familienexterner Manager den Posten des CEO und legt mit einer neuen Organisationsstruktur den Grundstein für den heutigen Unternehmensverbund. Das ermöglicht Dr. Tobias Rosenthal, seinen Fokus stärker auf die langfristige Ausrichtung von Baerlocher zu setzen. Im Jubiläumsjahr wird er nach vielen Jahren als Head of Corporate Development seinen Vater Dr. Michael Rosenthal als Beiratsvorsitzender beerben. Der Generationenwechsel wird damit vollzogen – und Baerlocher ist bereit für die Zukunft!
Dr. Rosenthal, Sie begehen das Jubiläumsjahr bei Baerlocher in einem neuen Amt. Was haben Sie vor?
TR Ich freue mich auf diese strategische Rolle. Der Beirat ist für ein Unternehmen ja nicht ein rein korrigierendes Organ, sondern auch Sparringpartner sowohl für das Management als auch für die Gesellschafter. Mein Vater und ich pflegen ein sehr freundschaftliches Verhältnis zum Management. Wir haben bewusst nach einem Management gesucht, das im Rahmen unserer strategischen Leitlinien Entscheidungen trifft und Baerlocher entsprechend führt und entwickelt.
Wie füllen Sie diese Rolle aus, Herr Schulle?
AS Zwei Dinge waren mir damals wichtig. Es war klar, dass wir die Internationalisierung, die Michael Rosenthal angestoßen und aufgebaut hatte, weiter vorantreiben wollen. Und wir haben schließlich eine Matrixorganisation eingeführt, in der wir lokal Verantwortung in die jeweilige Geschäftsführung geben. Wir haben akzeptiert, dass die lokalen Märkte lokal sind, und lassen es zu, dass Menschen, die den Markt in diesem lokalen, kulturellen Umfeld verstehen, auch die Entscheidungen treffen.
TR Ein anderes Thema, das mein Vater maßgeblich geprägt hat und das natürlich auch heute nicht weniger wichtig ist, ist die Arbeit in den Verbänden. Durch das langfristige und gemeinsame Commitment unserer Industrie konnte zum einen das Bild in der Öffentlichkeit dahingehend geschärft werden, dass man einen differenzierten Blick auf das Thema PVC und Kunststoffe hat. Entscheidender ist aber, dass gezeigt wurde: Durch eine gemeinsame Anstrengung der Industrie auf freiwilliger Basis können Ziele effizient und sowohl ökonomisch als auch ökologisch bestmöglich erreicht werden.
Wie wichtig ist diese Verbandsarbeit aus Ihrer Sicht für die Zukunft?
AS Es ist absolut wichtig, dass wir dort überall vertreten sind. Wir schreiben uns aber auch auf die Fahnen, dass man das wissenschaftsbasiert macht, dass man sich dabei nicht selbst in die Tasche lügt. Es geht nicht darum, Regulatorik zu verhindern, wenn sie richtig ist. Es geht darum, gestalterisch einzuwirken, um etwas, hoffentlich immer im Rahmen der freien Marktwirtschaft, positiv nach vorne zu bringen. Das ist ein aktiver Diskurs auf allen Ebenen.
TR … der heute wieder eine hohe Relevanz besitzt, weil die Diskussion zur Nachhaltigkeit, zur circular economy, heute zum Glück wieder in aller Munde ist. Dieser Dialog hat unsere Industrie nachhaltig verändert und wird es in den nächsten Jahren weiter tun.
Worum geht es Ihnen dabei im Besonderen?
TR Wir wollen unseren Kunden ein verlässlicher Partner sein, der ihnen die Möglichkeit gibt, technologische Trends vorwegzunehmen, sodass sie nicht darauf warten oder einer Regulatorik folgen müssen. Ein klassisches Beispiel dafür war damals der Fadeout von Schwermetallen in der EU, wo wir schon früh auf calciumbasierte Technologie gesetzt und diese aktiv beworben haben. Man muss mutig voranschreiten und beraten. Und dazu braucht man langfristige Partnerschaften, in denen man diesen Weg zusammen geht.
AS Ich kam ins Unternehmen, als die Vereinbarung und die Ziele alle schon gesetzt waren. Ich fand das unfassbar im besten Sinne, dass es eine Industrie geschafft hat, über die Wertschöpfungsketten hinweg eine freiwillige Selbstverpflichtung ins Leben zu rufen. Man ist damit natürlich dem Regulator zuvorgekommen, ohne dass die Innovationsräume der Unternehmen beschränkt wurden. Für unsere Kunden bedeutete das Veränderung hin zu einer neuen Technologie. Im übertragenen Sinne war das ja fast so wie der Umstieg vom Verbrenner auf den Elektromotor.
Stellt Sie das Thema circular economy nun vor ähnliche Herausforderungen?
TR Wir werden in Zukunft als trusted advisor noch enger an den Kunden heranrücken, damit wir mit ihm gemeinsam die nötigen Entwicklungen vorantreiben können. Wir wollen den Wandel der Industrie hin zur Kreislaufwirtschaft nicht nur mit begleiten, sondern eine führende Rolle einnehmen. Circular economy erfordert eine Kooperation entlang der gesamten Wertschöpfungskreisläufe. Daran arbeiten wir – mit Verarbeitern und Recyclern, um neue Lösungen zu entwickeln und z.B. geschlossene Kreisläufe mit aufzubauen bzw. zu ermöglichen. Die Industrie muss allerdings stärker zusammenarbeiten, damit das alles eine runde Sache wird.
Was sind in dieser Hinsicht Baerlochers wichtigste Lösungen und Produkte für die Zukunft?
AS Wir sind schon heute in der Additivierung von Recyclaten aktiv, sorgen also dafür, dass wiederverwertete Rohstoffe optimal genutzt werden. Bei mechanischem Recycling verzeichnen wir tolle Erfolge. Hier fließt ein Großteil unserer Forschungsaktivitäten ein, da entwickeln sich Märkte. Im Bereich PVC gibt es im bestehenden Geschäftsmodell viele aufeinander aufbauende Innovationen, die wir auf zukünftige Märkte übertragen. Im Bereich unserer Spezialadditive (SPA) geht es darum, ein neues Innovationsportfolio aufzubauen. Wir haben Anwendungen, wir haben Möglichkeiten, aber um in die Größenordnungen unserer augenblicklichen Geschäftsfelder vorzustoßen, gehören auch Investitionen und Entwicklungstätigkeit dazu. Deshalb sind wir nicht nur ein perfect match für unsere Kunden und Partner, sondern auch für alle Mitarbeitenden. Wer sich eingeladen fühlt, Zukunft mitzugestalten, ist bei uns genau richtig.