Grundsatzkritik an der Kunststoffindustrie durch Bürgerinitiativen, NGOs und die weitere Öffentlichkeit machen eine koordinierte, transparente Antwort notwendig. Mit Dr. Michael Rosenthal wird Baerlocher zur wichtigen Stimme einer Industrie auf Vertrauenssuche. Seitdem wandelt sich das Image der Branche vom undifferenzierten Feindbild zum Dialogpartner für Politik und Gesellschaft.
2023 ist Baerlocher weltweit in rund 50 Verbänden vertreten und engagiert, hat eine führende Rolle bei der Initiative „VinylPlus“. Denn das Mitgestalten der eigenen Industrie und ihrer Rahmenbedingungen ist ein intrinsisches Anliegen von Baerlocher. CEO Arne Schulle betont aber: „Es geht nicht darum, Regulatorik zu verhindern, wenn sie richtig ist. Sondern darum, gestalterisch einzuwirken, um etwas positiv nach vorne zu bringen.“ Zunächst sind die Verbandsaktivitäten auf Europa begrenzt, wo die Kunststoffindustrie seit den 1990er Jahren infolge neuer EU-Normen eine gemeinsame Stimme finden muss – um Verantwortung zu übernehmen. Und um als Dialogpartner ernstgenommen zu werden. Ein wichtiger Meilenstein ist dabei die freiwillige Selbstverpflichtung zum Bleiausstieg im Jahr 2000. Mittendrin und vorne dabei: Dr. Michael Rosenthal und andere Baerlocher-Mitarbeiter. Die Situation in Europa schafft zugleich neue Standards, die schrittweise auch in anderen Weltregionen übernommen werden. Zugleich verfestigt sich in der Branche das Ziel, Entscheidungsprozesse an wissenschaftlichen Daten zu orientieren und die Debatte zu versachlichen.
Gemeinsame Interessen trotz Konkurrenz
Dr. Christian Rosenthal hält in seiner Zeit nicht allzu viel von Verbandsengagement. Doch seit den 1970er Jahren verändert sich das gesellschaftliche und politische Umfeld deutlich. Berechtigte Kritik und blanke Vorurteile gegen „die“ Chemieindustrie gehen Hand in Hand. Kunststoffe und besonders PVC stehen am Pranger. Gerade letzteres hat in den 1990ern einen dramatisch schlechten Ruf, sogar ein Verbot wird diskutiert. Fortschritte bei einzelnen Unternehmen wie auch Baerlocher unter Dr. Michael Rosenthal allein bringen nichts – die ganze Industrie ist angesichts des regulatorischen Drucks gefragt.
Revolution von innen
Öffentliche und politische Forderungen nach Bleifreiheit, bringen die PVC-Industrie, auf der Ende der 1990er-Jahr ein besonders hoher Druck lastet, schließlich an einen Tisch. So gelingt ein faktenbasierter Dialog mit allen Stakeholdern.
Vor allem Michael Rosenthal setzt sich dafür ein, alle Beteiligten, auch die Mitbewerber, an einen Tisch zu bekommen. In der European Stabiliser Producers Association (ESPA), zu deren Gründern Baerlocher gehört, schließen sich fast 95% der Additiv-Hersteller zusammen. Gemeinsam arbeiten sie eine Selbstverpflichtung aus, in deren Rahmen es gelingt, den Forderungen Folge zu leisten. Und das wesentlich schneller und effizienter als es durch regulatorische Vorgaben möglich gewesen wäre.
Vinyl 2010
Mit „Vinyl 2010“ verpflichtet man sich zusammen mit anderen Verbänden selbst, in Europa schrittweise aus der Vermarktung und Produktion von Bleistabilisatoren auszusteigen. Es ist eine Erfolgsgeschichte. Zwischen 2000 und 2008 geht der Verbrauch von bleibasierten Stabilisatoren in der EU-15 um 50 Prozent zurück, zwischen 2007 und 2014 um 86 Prozent. 2015 werden bleibasierte Stabilisatoren in der EU-28 komplett ersetzt, und die letzten Produktionslinien laufen aus. Ein Meilenstein mit globaler Strahlkraft.
Recovinyl & VinylPlus
Es geht Michael Rosenthal, langjährig mit Herz und Seele Präsident der ESPA, um die Interessen der gesamten Branche. 2010 wird die ESPA zum Gründungsmitglied der Nachfolge-Initiative „VinylPlus“ der europäischen PVC-Industrie, die 2020 mit neuem Ziel bis 2030 erneuert wird. Über ESPA-Initiativen wie „Recovinyl“ soll auch das PVC-Recycling europaweit weiter vorangebracht werden, dazu gehört auch das Recycling von Verbindungen mit bleibasierten Stabilisatoren. Die umweltschonende und nachhaltige Weiternutzung von PVC wird bereits seit Jahrzehnten umgesetzt, das gilt auch für bleibasierte Produkte. Dr. Tobias Rosenthal erläutert: „Das Rezyklieren von PVC mit bleibasierter Stabilisierung ist sicher und umweltschonend, weil wenig Energie verbraucht wird, vor allem aber ist es sinnvoll,denn wir verbrauchen so weniger neues Material. Es ist einer der wenigen bestehenden globalen Kunststoffkreisläufe, bei dem es um nennenswerte Mengen geht.“ In Europa sind es über 7 Millionen Tonnen seit 2000. Aufgrund ihrer langen Lebensdauer werden aber teilweise noch eher geringe Mengen in den Wertschöpfungskreislauf zurückgespeist. Dies erklärt das Bestreben der Industrie, das dieser wichtige Rohstoff auch weiterhin recycelt werden darf. Zumindest bis entsprechende Verfahren verfügbar sind, die beispielsweise die Aufreinigung auf eine sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvolle Art erlauben.
Die Zukunft
Um die Zukunft der eigenen Industrie in dieser Hinsicht weiter mitzugestalten, bleibt Baerlocher weiterhin stark in der Verbandsarbeit engagiert. Denn Nachhaltigkeit und der Umstieg in die Kreislaufwirtschaft sind existenzielle Zukunftsthemen. Es geht darum, spezifische Kunststoff passgenau einzusetzen, nachhaltigere Grundstoffe zu verwenden und langlebige Anwendungen zu konzipieren. Das zeigt sich auch im Raum Asien-Pazifik, wo die eigentlich im Wettbewerb zunächst benachteiligende europäische Regulatorik vorausschauend auf neue Situationen übertragen werden kann. Gleichzeitig geht es für Baerlocher darum, das Gesamtbild der Rohstoffe und Lieferketten über den eigenen Tellerrand hinaus zu betrachten.
Das und die Erfahrungen, die man über die Verbandsarbeit mit politischen Stakeholdern außerhalb der eigenen Industrie gewinnt, machen Baerlocher zu einem perfect match in einer Zeit einer zu Recht kritischen, globalen Öffentlichkeit.