Der Ausstieg einer ganzen Industrie aus der Bleiverarbeitung in Europa ist eine Mammutaufgabe. Sie gelingt nur im Kollektiv: Über die Verbandsarbeit gestaltet Baerlocher den Abschied vom Blei aktiv mit. Und reagiert damit auch auf den seit den 1970er Jahren stetig steigenden gesellschaftlichen und politischen Druck. Die Herausforderung damals: Neue Lösungen zur Marktreife zu bringen und Kunden von blei- und schwermetallfreien Alternativen wie Ca/Zn-Stabilisatoren zu überzeugen.
Baerlocher gehört heute zu den Weltmarktführern in der Herstellung Calcium-basierter Stabilisatoren. In der EU wird seit 2016 kein Blei mehr für die Herstellung von Stabilisatoren verwendet. Andere Schwermetalle scheiden schon deutlich früher aus. Es ist das Ergebnis eines kritischen Dialogs mit Öffentlichkeit und Politik, aber auch einer Suche nach innovativen und umweltschonenderen Alternativen. Ein historischer Meilenstein ist die freiwillige Selbstverpflichtung der europäischen PVC-Industrie zum Bleiausstieg. Dr. Michael Rosenthal und Baerlocher haben sich dafür stark gemacht.
Das Problem: Blei und andere Schwermetalle
Blei wird seit Jahrtausenden als Werkstoff verwendet. Als Forscher im 20. Jahrhundert jedoch erhebliche Bleikonzentrationen in der Umwelt und in Blutproben feststellen, schlagen sie Alarm. Blei und andere Schwermetalle geraten aufgrund ihrer toxikologischen Eigenschaften weltweit in den Blick der kritischen Öffentlichkeit. Auch andere Schwermetalle geraten bald in die Kritik, in den 1990ern Kunststoffe und PVC ganz generell. Stehen die „Chemischen Werke München – Otto Bärlocher“ zunächst abseits, sind sie in den 1970er Jahren umgeben von Wohngebieten. Protest von Anwohnern lässt nicht lange auf sich warten. Die Stimmung ist auf allen Seiten gereizt. Zum Problem wird auch die Suche nach einem neuen Produktionsstandort. Aber Baerlocher stellt sich der Situation und muss gleichzeitig einen grundsätzlich anderen Umgang mit Erwartungen der Öffentlichkeit finden. Als in Lingen ein neues Werk entsteht, sollen Grenzwerte vorausschauend um ein Vielfaches unterschritten werden. Unter Dr. Michael Rosenthal beginnt in den 1980er Jahren die Suche nach Alternativen.
Suche nach Lösungen: Ca/Zn
Das Ziel ist die Entwicklung leistungsfähiger, toxikologisch und ökologisch unbedenklicher Ca/Zn-Stabilisatoren für Hart- und Weich-PVC. In Lingen produziert man ab 1987 nun auch schwermetallfreie Systeme. Drei Jahre später folgen Ca/Zn-Produkte zur Kabelherstellung. Auch für Metallseifen setzt man nun vermehrt auf Zink, Calcium, Magnesium und Aluminium. Für die Entwicklung verwendet Baerlocher bald bis zu 75 Prozent des Forschungsetats. Doch trotz ersten Erfolgen herrscht Unsicherheit, wer im Markt das Rennen machen wird. Darum arbeiten bei Baerlocher alle auf Hochtouren. In Lingen, München, Lodi und Bury.
1994 bewirbt man Ca/Zn-Systeme für Hart-PVC-Schaum, entwickelt im Kabelbereich bleifreie BAEROPANe. Lingen fertigt bald Ca/Zn-Systeme in allen gängigen Lieferformen. Doch bei vielen Kunden muss Überzeugungsarbeit geleistet werden, dass die Alternative gleichwertig oder sogar überlegen ist. Es ist eine Gratwanderung im Markt, der nach erprobten Lösungen verlangt; eine Situation, die man heute auch z.B. in Asien beobachten kann. Doch es gibt sie, die Pioniere, die damals nach Beratung durch Baerlocher auf Ca/Zn-Lösungen umstellen, z.B. führende Unternehmen aus der Fensterprofil-Industrie.
Ahead of regulations
Zur Jahrtausendwende stehen im Markt allerdings z.B. noch 120 Kilotonnen Onepacks auf Bleibasis nur 18 Kilotonnen auf Ca/Zn-Grundlage gegenüber. Darum setzt Michael Rosenthal mit Partnern erfolgreich darauf, Widerstände gegen den Bleiausstieg zu überwinden. Im Jahr 2000 sind fast 95 Prozent der betroffenen Unternehmen an der freiwilligen Selbstverpflichtung „Vinyl 2010“ beteiligt. 2015 endet die Vermarktung von bleihaltigen Additiven in der EU-28. 2016 läuft bei Baerlocher die letzte Produktionslinie aus. Der Nachfolger „VinylPlus“ gilt weltweit als Benchmark.
Und auch bei den Produkten geht es weiter. 2004 präsentiert Baerlocher z.B. Ca-basierte Granulate für hochwertige Fensterprofile, 2010 eine komplette Ca-organische Produktlinie für Rohre und Fittinge. Drei Jahre später ist das komplette Portfolio konform mit der EU-Richtlinie REACH. Auch außerhalb Europas forciert Baerlocher Schwermetall-Alternativen. In Indien wird 2006 eine neue Ca/-Zn-Pulverproduktanlage in Betrieb genommen, z.B. für Kabel sowie Ca/Zn-basierte PVC-Compounds. In China entsteht 2021 eine neue Ca/Zn-Produktionslinie und 2023 öffnet in Indien ein moderner Werksneubau, der CO2-optimiert ist und ausschließlich bleifrei produziert.
In die Zukunft mit Ca/Zn
Die Entscheidung, sich wo immer möglich vor den Trend zu setzen, prägt Baerlocher bis heute. Es ist der Wille zur Spitzenleistung, ein klares Bekenntnis zur Nachhaltigkeit als zentrale Aufgabe der gesamten Industrie. Diese gestaltet Baerlocher als Produzent und verantwortungsvoller Partner aktiv mit. Als perfect match für Kunden, die Gesellschaft und - die Zukunft.